Wie erkennt man MS? So ganz eindeutig ist diese Frage nicht zu beantworten. Das Krankheitsbild und die damit einhergehenden Symptome von Multipler Sklerose sind von Patient zu Patient sehr unterschiedlich. Weil sich die Krankheit auf die verschiedensten Areale, wie Groß- und Kleinhirn, Rückenmark, Hirnstamm und Sehnerven, auswirken kann, sind weder die Symptome noch der Verlauf der Krankheit einheitlich, was die Diagnose, neurologische Untersuchung und Therapie für Ärzte oft nicht einfach macht. Bei den meisten Patienten zeigen sich erste Multiple Sklerose Anzeichen ohne vorherige körperliche Warnzeichen, die Beschwerden kommen als Schub plötzlich und oftmals völlig unerwartet aus bisherigem Wohlbefinden. In welcher Art sich die Erkrankung auswirkt, hängt davon ab, welche Bereiche des Nervensystems in Mitleidenschaft gezogen wurden. Aber wie macht sich MS bemerkbar und wie erkennt man diese neurologische Erkrankung überhaupt?
Obwohl die Verlaufsformen von Multipler Sklerose so unterschiedlich sind, haben Statistiken ergeben, dass sich die entzündliche Erkrankung bei 30 bis 50 Prozent der MS-Patienten erstmals mit Gefühls- und Empfindungsstörungen zeigt. Betroffene berichten von Kraftlosigkeit und Taubheitsgefühlen in Händen, Armen und Beinen sowie einem Gefühl von Pelzigkeit an den Fingern. Oft kommt hinzu, dass das Berührungsempfinden verringert wird, was das Tasten erschwert. In Kombination können diese ersten Anzeichen von MS Unsicherheit im Geh- und Stehvermögen des Patienten auslösen und die Feinmotorik beeinträchtigen. Auch sexuelle Störungen sind eine mögliche Folge der Erkrankung.
Das chronische Müdigkeits- und Erschöpfungssyndrom, medizinisch als Fatigue bezeichnet, ist ein sehr häufig auftretendes Anzeichen Multipler Sklerose. Meist tritt eine plötzliche Erschöpfung auf und vor allem Arme und Beine fühlen sich schwer und kraftlos an. Dieses Gefühl wird auf eine Art Kurzschluss zwischen freiliegenden Axonen zurückgeführt, also den Nervenbahnen, wo die Myelinschicht komplett zerstört wurde.
Bei Fatigue können sich die Patienten meist erst nach längerer Ruhephase erholen. Das plötzliche Müdigkeits- und Schwächegefühl wirkt sich nicht nur körperlich, sondern auch kognitiv, also geistig und emotional aus – die Leistung von Körper und Gehirn nimmt schlicht ab. Fatigue führt trotz Behandlung nicht selten zu sozialer Isolation der Betroffenen.
Wie die Krankheit selbst ist auch eines ihrer häufigsten Symptome, die Spastik, besonders vielschichtig. Unter diesem Begriff verstehen wir allgemein eine erhöhte Muskelspannung, die an verschiedenen Stellen Probleme im Bewegungsapparat verursachen kann. Ursache für die Spannungen sind Entzündungsherde in der Hirnstruktur, die die motorischen Fähigkeiten im muskulären System übernehmen. Spastische Symptome haben deshalb nichts mit einer psychischen Erkrankung gemein. Die Anspannung der Muskulatur kann nicht von einem Gegenmuskel ausgeglichen werden.
Erste spastische Anzeichen können als Frühsymptom bereits zu Beginn der Multiplen Sklerose entstehen und zeigen sich dann meist in den Beinen, was Lauf- und Gangstörungen verursacht. Spastik kann sich jedoch auch in anderen Ausprägungen bemerkbar machen. So leiden viele Betroffene im Rahmen akuter Schübe unter Schmerzen in Armen und Beinen, die sich vor allem nach dem Aufstehen steif und angespannt anfühlen. Bei einigen Patienten zeigen sich als Nebenwirkung zudem heftige Muskelkrämpfe und -zuckungen. Je nach Schweregrad verursachen diese unkontrollierbaren Muskelkontraktionen auch Schlafstörungen oder auf Dauer Fehlstellungen, die sich trotz unnatürlicher Haltungen für die Betroffenen erleichternd anfühlen.
Auch Lähmungen können bereits früh auftreten und im Verlauf der Erkrankung sehr unterschiedliche Ausprägungen annehmen. Von Patienten, die erkranken, werden Beeinträchtigungen der Muskelfunktionen mit hoher Häufigkeit als erstes Symptom genannt. Lähmungen können sich dabei zunächst auf eine Hand und die Greiffunktion auswirken, im späteren Verlauf den gesamten Arm betreffen. Als Spätfolge der Multiplen Sklerose sind auch Krankheitsfälle bekannt, bei denen sich die Lähmungen und Behinderungen auf eine gesamte Körperhälfte ausbreiteten.
Sehstörungen und daraus folgende Koordinationsstörungen sind das zweithäufigste Symptom Multipler Sklerose bei jungen Patienten. Sehstörungen treten häufig sehr plötzlich und unerwartet in Form von Sehunschärfe oder einem milchigen Schleier auf, auch Blickfeldausfälle oder Doppelbilder sind keine Seltenheit. Sehstörungen sind ein häufig auftretendes Zeichen für MS, weil sich Entzündungsherde oft in der Nähe des oder direkt am Sehnerv bilden. Auch Schmerzen in den Augen werden durch die Entzündungen ausgelöst.
Unangenehme Begleiterscheinung bei 70 Prozent aller Patienten ist eine neurogene Blasenstörung. Dieses typische Symptom ist darauf zurückzuführen, dass Nerven mit Wasserlassen und Zurückhalten des Urins betraut sind. So sorgt einerseits ein eigenes Areal im Gehirn für die Funktion der Blase, andererseits können auch Bereiche im Rückenmark für Blasenentleerungsstörungen mit verantwortlich sein.
Auch Schluck- und Sprechstörungen stellen mögliche Anzeichen einer Multiple Sklerose Infektion dar. Allerdings sind diese Störungen kein eigenes Symptom der Krankheit, sondern werden durch Lähmungen oder Koordinationsstörungen der Gesichtsmuskulatur verursacht. Häufig entstehen Schluck- und Sprechstörungen nur vorübergehend und schubförmig und sind in ihrer Ausprägung sehr unterschiedlich.
Sabrina Mandel